Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

die Sportredaktion der Ruhr Nachrichten hat mich um einen Gastkommentar gebeten. Ich habe mich für einen Offenen Brief entschieden. Ich bin Vorstandsmitglied beim ASC 09 Dortmund, einem Sportverein mit rund 1.800 Mitgliedern in acht Sparten. Darunter Fußball, Basketball, Mountainbike . . . auch Herzsport. Ich selbst leite die Handballabteilung mit 7 Senioren- und 10 Nachwuchsmannschaften. Mehr als 250 Sportler*innen in Summe.

Ich investiere ehrenamtlich locker 20 Stunden pro Woche in die Vereinsarbeit. Das macht mehr als 1.000 Stunden im Jahr. Ich erwähne das nur, um Ihnen ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie wichtig mir unser Verein und der Handballsport im Besonderen ist. Wir leiden – bitte verzeihen Sie meine Ausdrucksweise – „wie Sau“ unter dem Lockdown. Und trotzdem sage ich:  Dass Sie und Ihre Landesregierung den Vereinen jetzt in Aussicht stellen, ab 30. Mai wieder Hallensportarten mit Körperkontakt auszuüben, ist grober Unfug. Ich halte es für fahrlässig und verantwortungslos. Wir befinden uns noch immer in einer Pandemie – und Sie nehmen eine Ausbreitung des Virus‘ zumindest billigend in Kauf. Sie provozieren sie nachgerade. Und das ohne jede Not, denn so wichtig uns der Handballsport auch ist: Aktuell ist Handball nicht wichtig!

Bitte sorgen Sie dafür, dass die Wirtschaft wieder anläuft! Dass Arbeitsplätze gesichert werden! Sorgen Sie dafür, dass Kitas wieder öffnen und Schüler*innen wieder zum Unterricht können! Aber treten Sie auf die Bremse, wo Lockerungen nicht zwingend nötig sind. Und sagen Sie jetzt bitte nicht, wir müssten ja nicht wieder mit dem Training beginnen. Natürlich müssen wir, sobald der erste benachbarte Verein die Halle aufschließt.

Nur zur Verdeutlichung: Dieselben Kinder und Jugendlichen, für die es am 30. Mai noch keinen geregelten Schulunterricht geben wird, sollen dann am Nachmittag zum Training in die Sporthallen kommen, wo sie face-to-face in den Zweikampf gehen. Wo die Aerosole nur so durch die Luft fliegen. Wir reden über Handball. Da ist man sich nahe. Fasst sich an. Da landet die Hand auch schon einmal im Gesicht des Gegners. Von Abstand und Hygiene sind wir da so weit entfernt wie die Erde vom Mars.

Vor allem: Wir reden hier über Amateursport. Durch Mitgliedsbeiträge und Spenden finanziert. Ehrenamtlich organisiert. Ein Spielbetrieb ohne Zuschauer, der ab 30. Mai ja auch möglich sein soll, ist völlig undenkbar. Sobald die Kosten des Spielbetriebs anfallen, ohne dass wir Einnahmen aus Eintrittskarten-, Waffel- und Kaffeeverkauf generieren können, wird schnell eine Insolvenzwelle und ein Vereinssterben einsetzen.

Wir sind nicht der Profifußball. Dass die Bundesliga jetzt wieder startet, ist doch völlig okay. Die Klubs können und werden mit hohem organisatorischen und finanziellen Aufwand, mit Corona-Tests und Quarantäne-Trainingslagern maximalen Schutz und Sicherheit gewährleisten. Da reden wir über Berufsausübung, und mir fallen spontan zig Berufe ein, bei denen das viel schwieriger ist als bei Fußballern. Zum Beispiel bei Friseuren . . .

Aber wie soll ein Breitensportverein die Standards gewährleisten?! Unser Trainingsbetrieb ist auf sechs Hallen in Dortmund verteilt. Wie sollen wir in sechs Hallen die Einhaltung der Hygienestandards überwachen?! Welche Verantwortung wälzen Sie da auf uns Ehrenamtler ab?!

Am Ende, wenn die Infektionszahlen wieder steigen, wird es heißen: Die Sportvereine sind Virenschleudern. Und der ÖPNV. Und die Gastronomie. Und die Schulen. Dann haben wir neben den Krankheitsfällen auch noch den Imageschaden.
Ganz ehrlich, Herr Laschet, das ist doch Irrsinn!

Frank Fligge, ASC 09 Dortmund, Abteilungsleiter Handball