Als Handball-Missionar in den USA: Jens Wencker

Bis 2004 hat Jens Wencker beim ASC 09 gespielt. Dann wanderte er in die Staaten aus – und leistet dort als Trainer des Minnesota Handball Teams sportliche Entwicklungsarbeit. Unlängst war Wencker auf Heimatbesuch in Aplerbeck, hat mit der 1. Herrenmannschaft des ASC 09 trainiert – und von seinen Erfahrungen als Missionar in einer „exotischen“ Sportart berichtet.

Handball in den USA – das ist ungefähr so wie . . . Baseball in Deutschland. Gibt es. Wissen aber nur die Wenigsten. Und noch weniger üben den Sport aktiv aus. Will sagen: Handball in den USA – das ist, auch wenn es einen Verband und Nationalmannschaften und sogar nationale Titelkämpfe gibt, vor allem eines: Entwicklungsarbeit!

Jens Wencker kommt aus einer Handball-Stadt in einem Handball-Land. Aus Dortmund in Deutschland. Genauer: Aus Aplerbeck in Dortmund in Deutschland. Ganz genau: vom ASC 09. Heute lebt er in den Vereinigten Staaten. Genauer in Minnesota. Ganz genau: in Minneapolis. Dort spielt er Handball.

Zugegeben, Handball in Minnesota gab es auch schon vor Jens Wencker. Angefangen hat es 2007. Ein Jahr später wurde die Mannschaft gegründet – damals noch unentdeckt vom Dortmunder, der bereits 2004 der Liebe wegen ausgewandert war und bis heute immer wieder dieselbe Erfahrung macht: „Wenn man in den USA über Handball spricht, sagen die Leute: ‚Jep, kenne ich. Das ist doch diese Sportart, bei der man einen Ball mit der Hand gegen eine Wand spielen muss – ungefähr so wie beim Racketball, nur ohne Schläger.“ Jens Wencker hört solch fachmännischen Ausführungen immer eine Weile lang amüsiert zu, ehe eher unterbricht und erklärt: „Äääähh . . . nein . . ., ist es nicht!“ Und dann beginnt er mit seinem Teil der fachmännischen Ausführungen, in denen stets etwas von „olympischer Sportart“ vorkommt und manchmal auch merkwürdige Vergleiche wie dieser: „Beim Handball spielen sechs gegen sechs. Plus Goalie. Im Grunde wie beim Wasserball. Nur ohne Wasser.“

Wencker kam 2010 zum Minnesota Team Handball. Im selben Jahr hat die Mannschaft auch erstmals an den US Nationals, den amerikanischen Meisterschaften, teilgenommen und . Allerdings ohne den Dortmunder, der sich gerade einen Kreuzbandriss hatte operieren lassen. Übrigens mit der Kleinigkeit von 4.000 US-Dollar Selbstbeteiligung. Das amerikanische Gesundheitssystem halt . . .

Die Jungs haben Ihre Sache damals in Vegas richtig gut gemacht. Viele sprachen von den besten „Nationals“ überhaupt. Und wir haben auf Anhieb Platz zwei in der Open Division belegt. Übrigens mit der Unterstützung durch einen dänischen Zweitligaspieler und einige starke Akteure aus Deutschland, die seinerzeit kurzfristig in Minnesota lebten.

Auch heute ist die Mannschaft eine Multi-Kulti-Truppe. Um einen etablierten Kern aus Senior Playern, die schon von Beginn an dabei sind, gruppieren sich Akteure aus Tunesien, Dänemark, Bulgarien, Russland, Saudi-Arabien, Kamerun, Puerto Rico, Deutschland und – ach, ja – den USA. Immer wieder stoßen Neugierige dazu, die den Sport einfach mal ausprobieren wollen. „Von echten Bewegungstalenten bis hin zu motorisch eher grobschlächtigen Hobbysportlern ist alles dabei“, sagt Wencker.

2011 hat Jens Wencker das Coaching beim Minnesota Handball Team übernommen. Die größte Herausforderung besteht darin, überhaupt Hallenzeiten für das Training zu bekommen. Die meisten Hallen sind für Basketball ausgelegt. Handball-Markierungen auf dem Hallenboden gibt es nur selten. „Wir trainieren normalerweise in einer Halle, die einem Fitnessclub gehört“, sagt Wencker. „Ab November wird es dort jedoch schwierig. Dann wird es draußen kalt, und dann beansprucht der Fußballclub Minnesota United die Halle fast komplett. „Kalt“ meint in Minnesota übrigens richtig kalt. Genauer: richtig, richtig kalt. Da fallen die Temperaturen gerne mal unter die
-20-Grad-Markierung.

Herausforderung Nummer zwei: Spiele zu organisieren. „Wir haben anfangs immer mal wieder bei einem kanadischen Turnier in Winnipeg mitspielen dürfen. Genau genommen war es eher eine Liga, die für uns dann ihre Spiele in Turnierform ausgerichtet hat“, erzählt der Aplerbecker. Denn die Fahrtzeit nach Winnipeg beträgt sechs Stunden. Normalerweise. Im Winter ist man oft deutlich länger unterwegs. Vorausgesetzt, man kann überhaupt fahren, denn Winnipeg meldet dann auch gerne mal minus 40 Grad.

Jetzt gerade hat seine Mannschaft ihr erstes Jahr in der „Midwest Team Handball League” hinter sich. Sage und schreibe vier (!) Teams spielen die Runde mit: Milwaukee, Chicago, Barrington und Minnesota. Der Modus: Turnierform, jeder gegen jeden. Der weiten Entfernungen wegen. Jens Wencker ist sich darüber im Klaren, dass der Handballsport in den USA ein „Exot“ bleiben wird. Zu weit sind die vier Major-Sportarten Football, Basketball, Eishockey und Baseball voraus. Selbst Soccer, unser Fußball also, hatte und hat es schwer, sich in der Gunst der Zuschauer durchzusetzen. Und doch lässt sich der Aplerbecker nicht unterkriegen. Zu groß ist die Liebe zum Handball, zu groß die Lust an der Sportart seines Herzens.